Einführung

In den Fortbildungsveranstaltungen für Anwälte, die ich anbiete, bemerke ich immer wieder, dass bei ihnen meist doch nur sehr oberflächliche Kenntnisse für die rechtliche Behandlung von familienrechtlichen Rechtsverhältnissen mit Auslandsbezug bestehen, sowohl für die internat. Zuständigkeit, als vor allem auch für die Rechtsanwendung. Sicherlich ist die Situation insgesamt unübersichtlich. Teilweise haben wir weiterhin nationales Recht zu beachten, das maßgeblich ist, aber weitgehend sind die Vorschriften, die wir anwenden, abgelöst durch Europarecht, teilweise durch europ. Gesetzgebung, teilweise durch Regeln, die im Wege der Verstärkten Zusammenarbeit ergangen sind und die dann eben nur beschränkt wirksam werden. Im Übrigen sind völkerrechtliche Vereinbarungen in anderen Zusammenhängen zu beachten, etwa das dt.-iran. Niederlassungsabk. 1929, das Haager Abk. über die zivilrechtlichen Aspekte internat. Kindesentführung und das Kinderschutzübereinkommen 1996 als Beispiele.

In lockerer Reihenfolge sind dazu ab diesem Jahr in der Zeitschrift „Familie und Recht“ Beiträge aufgenommen (und die Reihe wird fortgesetzt), die sich mit Einzelheiten beschäftigen, zunächst zur internat. Kindesentführung, weil insoweit Vorschriften aus der europ. Gesetzgebung durch die VO Nr. 1111/2019, die ab August 2022 gültig ist, ersetzt sind und wesentliche Veränderungen gebracht haben, bei uns umgesetzt etwa in §§ 44a ff. IntFamRVG. Damit ist auch die Streitfrage erledigt, ob gegen die Widerrechtlichkeitsbescheinigung (bei Erteilung oder Verweigerung) Rechtsmittel eröffnet sind, denn inzwischen verweisen die maßgeblichen Bestimmungen des IntFamRVG auf die Regeln der sofortigen Beschwerde der ZPO. Im Übrigen besteht insoweit Zuständigkeitskonzentration wie sonst für Verfahren nach dem HKÜ. Dann habe ich eine Übersicht über die Regeln des HKÜ eingestellt, habe mich zu Fragen von Art. 5 HUP geäußert, eine Vorschrift, die für unterhaltsrechtliche Rechtsverhältnisse mit Auslandsbezug von großer Bedeutung ist, weil sie Ausnahmen zu der sonst maßgeblichen Wirkung des Aufenthaltsrechts zulässt und das Recht zur Anwendung bringen kann, mit dem die Eheleute in ihrer Ehe in einer engeren Verbindung gestanden haben. Vorgesehen sind weitere Arbeiten zur Anerkennung ausl. Ehescheidungen, zur Eheschließung selbst, Stichwort: Handschuhehe, per Internet oder in sonstiger Form, „Ferntrauung“, Heirat im fernen Ausland, etwa in Stellvertretung/Botenschaft u.ä. Dann beschäftige ich mich mit Einzelheiten des ehelichen Güterrechts, weil Art. 15 EGBGB a.F. trotz der überall auftauchenden Erklärung, die Vorschrift sei aufgehoben, noch für sehr lange Zeit fortgelten wird, Übergangsregeln in Art. 229 § 47 Abs. 2 und 3 EGBGB, wobei dann der Verweis auf die maßgeblichen Regeln Art. 14 EGBGB a.F. ohne die weiteren Veränderungen in der Zwischenzeit erfasst, also Maßgeblichkeit der gemeinsamen Staatsangehörigkeit u.ä., alte Fassung der Bestimmung. Ab 29.1.2019 gilt die europ. Güterrechtsverordnung. Dabei finden die verfahrensrechtlichen Vorschriften „sofort“ Anwendung, insbesondere zur internat. Zuständigkeit und zum Verfahrensablauf, wobei unsere familienrechtlichen Regeln ergänzend eingreifen, insbesondere für die Rechtsmittel u.ä. In aller Regel gelten die Vorschriften der europ. Güterrechtsverordnung erst für Ehen, die nach dem 29.1.2019 geschlossen sind, wenn die Eheleute keine Vereinbarung getroffen haben, die den neuen Vorschriften entspricht. Für die Rechtsanwendung wird sehr häufig also altes Recht maßgeblich bleiben. Aber neues Recht gewinnt zunehmend an Bedeutung. Auch dazu habe ich mich geäußert (sowohl für die verfahrensrechtliche Seite als auch für die Rechtsanwendung selbst). Zum Versorgungsausgleich mit Auslandsbezug ist demnächst eine weitere Arbeit vorgesehen. Dann folgen noch Übersichten über Rechtsregeln in kindschaftsrechtlichen Angelegenheiten, sowohl zur Zuständigkeit und zu weiteren verfahrensrechtlichen Einzelheiten, als auch zur Rechtsanwendung selbst, die recht einfach ausfällt – bestimmend sind die Vorschriften, die am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Kindes „gelten“. Dt. Gerichte beschäftigt immer wieder die islam. Morgengabe, für die der BGH eigene Anknüpfungsregeln bereithält, Art. 14 EGBGB (eingeschätzt als persönliche Ehewirkung und damit wandelbar, während die güterrechtliche Behandlung auf den Zustand verweisen würde, der bei der Eheschließung selbst bestanden hat). Für den Iran gilt das dt.-iran. Niederlassungsabk. für Parteien, die nur Iraner sind und keine weitere Staatsangehörigkeit haben. Dann nämlich kommen die üblichen Anknüpfungsregeln zur Anwendung. Das Abkommen selbst verweist auf die Vorschriften des Staates, dem die jeweiligen Parteien angehören. Ist das so, stellen sich Konkurrenzfragen – wie weit kann die Morgengabe neben anderen Rechtseinrichtungen bestehen bleiben, die vielleicht in der Zwischenzeit maßgeblich werden, etwa zum Unterhalt oder zum Güterrecht? Zusätzlich hat der BGH Besonderheiten eingeführt, die Schwierigkeiten bereiten, weil er für alle Fälle, die dt. Recht unterliegen, notarielle Beurkundung verlangt, die in aller Regel eben nicht eingehalten ist. Soweit die Bestimmungen der europ. GüterrechtsVO reichen, ist auch die Morgengabe einbezogen, weil sie abweichend vom BGH die Versprechen oder Zusagen, die sich die Ehegatten gegeben oder empfangen haben, güterrechtlich einstuft. Das führt erst recht zu Brüchen oder zu Schwierigkeiten bei der Rechtsanwendung. Aber: Iran. Staatsangehörige sind dabei ausdrücklich ausgenommen, auch nicht sonderlich einleuchtend.

In einer Sammlung zum internat. Familienrecht, die ebenfalls beim Luchterhand Verlag erscheint, habe ich für dieses Jahr das Haager Abk. zur internat. Kindesentführung neu kommentiert, habe alle Einzelheiten aufgegriffen, die mir seit der letzten größeren Ergänzung – vor etwa fünf Jahren – bekannt geworden sind. Sie wertet die dt. Fachzeitschriften aus, aber auch eine in der Schweiz erscheinende Zeitschrift, FamPra.ch. Teilweise, denn ich bin in diesem Sektor recht umfangreich selbst tätig, habe ich auch Bezug genommen auf unveröffentlichte Entscheidungen, für die ich Hinweise erhalten habe. Interessenten können sicherlich beim Verlag entsprechende Auskünfte erhalten, Luchterhand Verlag (inzwischen Wolters Kluwer), 50354 Hürth.



Eingestellt am 19.07.2023 von Dr. Peter Finger
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