Verstärkte Zusammenarbeit - 21.6.2012


Ab 21.6.2012 werden auch für Deutschland die Grundsätze der Verstärkten Zusammenarbeit im Scheidungskollisionsrecht maßgeblich. Bei einer Ehescheidung mit Auslandsbezug, wobei sich die internationale Zuständigkeit deutscher Gerichte aus der europäischen VO Nr. 2201/2003 ergibt, die schon seit langer Zeit in Kraft ist, wird danach
- nicht mehr wie bisher zunächst die gemeinsame Staatsangehörigkeit prägend und
- erst danach und wenn diese Anknüpfung versagt gemeinsames bzw. letztes gemeinsames Aufenthaltsrecht, wenn sich der andere Partner dort noch aufhält,
- sondern die Parteien haben die Möglichkeit der Rechtswahl, erste Priorität, um ihr Recht zu bestimmen, das im Scheidungsverfahren gelten soll,
- während auf der zweiten Stufe gemeinsames Aufenthaltsrecht die Rechtsanwendung festlegt bzw. letztes gemeinsame Aufenthaltsrecht, wenn ein Ehegatte sich dort noch aufhält und der Umzug des anderen nicht länger als ein Jahr zurückliegt.
- Erst danach kommt die Staatsangehörigkeit zum Zuge, die beide haben, und
- auf der vierten Stufe dann das Recht des angerufenen, zuständigen Gerichts.
Weitere Übergangsregeln bestehen nicht. Für Verfahren nach dem 21.6. müssen wir uns in Deutschland daher an die "neuen Grundsätze" halten.
 

Neue kollisionsrechtliche Regeln für Unterhaltsforderungen
Art. 18 EGBGB - EuUnterhaltsVO (VO EU Nr. 4/2009 v. 18.12.2008), Haager Protokoll;
Haager Übereink. 2007; dt. DurchfG, BGBl. 2011 I 898
von Rechtsanwalt Dr. Peter Finger, Privatdozent an der Universität Frankfurt

Bisher haben wir die Rechtsanwendung für Unterhaltsrechtsverhältnisse mit Auslandsbezug nach Art. 18 EGBGB bestimmt, der inl. Übernahme der Regeln des Haager Unterhaltsübereink. v. 2.10.1973 (HUÜ). Durchgängig war danach Aufenthaltsrecht des Unterhaltsgläubigers maßgeblich. Dort entsteht sein Lebensbedarf, und dort muss er seine Ausgaben bestreiten. Wichtige Ausnahme war Art. 18 Abs. 4 EGBGB. Unterhaltspflichten nach Rechtskraft des Ehescheidungs- bzw. Aufhebungsbeschlusses sollten sich danach wegen der engen Zusammenhänge mit den anderen Scheidungsfolgen aus dem Recht ergeben, das im Verfahren tatsächlich Entscheidungsgrundlage geworden ist. Seit dem 18.6.2011 ist für Deutschland mit den andern Mitgliedstaaten der europ. Gesetzgebung, also die EU-Staaten ohne Dänemark, während das Ver. Königreich und Irland jeweils über ihre Teilnahme beschließen, sich bisher aber stets für sie ausgesprochen haben (dem Haager Protokoll ist das Ver. Königreich allerdings nicht beigetreten), die EuUnterhaltsVO in Kraft, VO EU Nr. 4/2009 v. 18.12.2008, die die Anerkennung und Vollstreckung ausländischer Unterhaltsentscheidungen in den Mitgliedstaaten regelt, während für die (kollisionsrechtl.) Anknüpfung von Unterhaltsfolgen, dazu Art. 15 EuUnterhaltsVO, das Haager Protokoll Grundlage wird und Art. 18 EGBGB bei uns ablöst,/ vgl. dazu auch BGBl. 2011 I 898. Im Übrigen hat gerade der Rat für Justiz und Inneres (9.6.2011) für die Gemeinschaft dem Abschluss des Haager Übereink. 2007 zugestimmt. Mit der EuUnterhaltsVO ist das dt. DurchfG in Kraft getreten.
I. EuUnterhaltsVO - Zuständigkeiten; Anerkennung und Vollstreckung
1. Sachlicher Anwendungsbereich
Nach Art. 1 findet die EuUnterhaltsVO auf "Unterhaltspflichten (Anwendung), die auf einem familien-, verwandtschafts- oder eherechtlichen Verhältnis oder auf Schwägerschaft beruhen". Ähnlich wenn auch mit einigen weiteren Einschränkungen entscheidet Art. 1 Haager Protokoll (HP). Wie sonst gelten die besonderen europarechtl. Regeln nicht nur für Staatsangehörige der teilnehmenden Mitgliedstaaten, sondern für alle, die die jeweiligen tatbestandlichen Voraussetzungen erfüllen, durchgängig durch ihre gewöhnliche Aufenthaltsnahme.
2. Gerichtliche Zuständigkeiten
Für die Verpflichtungen aus Art. 1 stellt Art. 3 EuUnterhaltsVO eigene gerichtliche Zuständigkeiten bereit und löst damit Art. 5 VO Nr. 44/2001 (EuGVVO) ab, deren Vorschriften ihrerseits bei uns schon § 22 a ZPO verdrängt hatten. In gestufter Reihenfolge ist für "Entscheidungen in Unterhaltssachen" in den Mitgliedstaaten, denn andere kann die europ. Gesetzgebung nicht binden,
"a) das Gericht des Ortes, an dem der Beklagte seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat, zuständig oder
b) das Gericht des Ortes, an dem die berechtigte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat oder
c) das Gericht, das nach seinem Recht für ein Verfahren in Bezug auf den Personenstand zuständig ist, wenn in der Nebensache zu diesem Verfahren über eine Unterhaltssache zu entscheiden ist, es sei denn, diese Zuständigkeit begründet sich einzig auf der Staatsangehörigkeit einer der Parteien, oder
d) das Gericht, das nach seinem Recht für ein Verfahren in Bezug auf die elterl. Verantwortung zuständig ist, wenn in der Nebensache zu diesem Verfahren über eine Unterhaltssache zu entscheiden ist, es sei denn, diese Zuständigkeit beruht einzig auf der Staatsangehörigkeit einer der Parteien."
Anders als nach den Regeln der VO Nr. 44/2001 ist die Abänderungsklage, die der Unterhaltsschuldner einleiten will, ebenso einbezogen wie die Bereicherungsklage und die negative Feststellungsklage, aber nicht ein Verfahren des Unterhaltsgläubiger, denn ihm stehen weiterhin die sonstigen Wahlbefugnisse zu, so dass er entscheiden kann, ob er seine Sache
- bei den Gerichten seines gewöhnlichen Aufenthalts führt oder
- bei den Gerichten des gewöhnlichen Aufenthaltsorts des Unterhaltsschuldners.
3. Rügelose Einlassung; Notzuständigkeiten
Art. 6 EuUnterhaltsVO sieht Auffangzuständigkeiten bei den Gerichten des Mitgliedstaates der gemeinsamen Staatsangehörigkeit der Parteien vor. Nach Art. 5 kann eine Zuständigkeit auch bei einem bis dahin unzuständigen Gericht begründet sein, wenn "sich der Beklagte auf das Verfahren (sc.: rügelos) einlässt". Notzuständigkeiten hält Art. 7 EuUnterhaltsVO bereit, "wenn es nicht zumutbar oder es sich als unmöglich erweist, ein Verfahren in einem Drittstaat, zu dem der Rechtsstreit einen engen Bezug aufweist, einzuleiten oder zu führen", Abs. 1, wobei sich Einschränkungen aus Abs. 2 ergeben, denn der Rechtsstreit muss eine inhaltliche Verbindung zum angerufen Gericht aufweisen.
4. Gerichtsstandsvereinbarungen
Nach Art. 4 EuUnterhaltsVO können die Beteiligten Gerichtsstandsvereinbarungen abschließen und so durch ihre Absprache gerichtliche Zuständigkeiten erst begründen, wenn die dort genannten Voraussetzungen im Einzelnen erfüllt sind. Rechtshängigkeit der Sache nach unserem Verständnis wird dabei früher begründet als das sonst bei uns üblich ist, dazu Art. 9, nämlich schon mit Anrufung des Gerichts, wobei sich allerdings der Antragsteller in der Folgezeit keine weiteren Versäumnisse vorwerfen lassen darf, ähnlich Art. 16 VO Nr. 2201/2003 für Ehesachen und Verfahren zur Trennung ohne Auflösung des Ehebandes. Nach Art. 13 kann die Aussetzung des Verfahrens wegen des inhaltlichen Zusammenhangs mit einer Sache erfolgen, die in einem anderen Mitgliedstaat geführt wird. Art. 14 EuUnterhaltsVO sieht schließlich einstweilige Maßnahmen "einschl. Sicherungsmaßnahmen" vor, denn die Partei, die Unterhalt für sich einfordert, ist meist auf eilige Unterstützung angewiesen, damit sie nicht in Not gerät.
5. Anerkennung und Vollstreckung
Art. 16 ff. EuUnterhaltsVO regeln die Anerkennung und die Vollstreckung ausländischer Unterhaltsentscheidungen in den anderen Mitgliedstaaten. Dabei sind die bisherigen Bestimmungen des AVAG durch die Vorschriften des dt. DurchfG ersetzt. In den meisten Fällen, wenn nämlich der Mitgliedstaat, der die Entscheidung getroffen hat, dem Haager Protokoll angehört, ist ein förmliches Anerkennungsverfahren nicht mehr notwendig, Art. 17 Abs. 1. Auch die besondere Vollstreckbarerklärung entfällt unter diesen Voraussetzungen, Art. 17 Abs. 2. Gilt das Haager Protokoll im Verhältnis zum anderen Staat allerdings nicht, dessen Gerichte die Entscheidung getroffen haben, ist Vollstreckbarerklärung wie bisher notwendig, zu weiteren Einzelheiten bei der Anerkennung und Vollstreckung Art. 23 ff., zur Fassung der Vollstreckungsklausel II. 8. b. Versagungsgründe ergeben sich aus Art. 24 EuUnterhaltsVO.
6. Rechtsbehelfe
Gegen die Entscheidung über den Antrag auf Vollstreckbarerklärung kann jede Partei einen Rechtsbehelf/ einlegen, Art. 32 Abs. 1, aber eben nur, wenn sie notwendig ist; das ist nicht der Fall, dazu 5., wenn auch der andere Staat dem Haager Protokoll angehört bzw. beigetreten ist. Die Frist beträgt 30 Tage, Abs. 5, bzw. 45 Tage, wenn der Verfahrensgegner seinen gewöhnlichen Aufenthalt in einem anderen Mitgliedstaat hat als dem, in dem die Vollstreckbarerklärung ergangen ist, wobei auch bei weiter Entfernung keine Verlängerung vorgesehen ist. Zuständig ist das Gericht, das der betreffende Mitgliedstaat "der Kommission nach Artikel 71 notifiziert hat", Art. 32 Abs. 2 EuUnterhaltsVO. Entschieden wird nach den Vorschriften, die für Verfahren mit beiderseitigem rechtlichen Gehör maßgebend sind, Abs. 3. "Lässt sich die Partei, gegen die die Vollstreckung erwirkt werden soll, in dem Verfahren vor dem mit dem Rechtsbehelf des Antragstellers befassten Gericht nicht ein, so ist Artikel 11 auch dann anzuwenden, wenn die Partei, gegen die die Vollstreckung erwirkt werden soll, ihren gewöhnlichen Aufenthalt nicht im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates hat". Eine Entscheidung, die über den Rechtsbehelf ergangen ist, kann wiederum nur "im Wege des Verfahrens angefochten werden, das der betreffende Mitgliedstaat der Kommission nach Artikel 71 notifiziert hat".  Das mit einem Rechtsbehelf nach Art. 32 oder Art. 33 "befasste Gericht setzt auf Antrag der Partei, gegen die Vollstreckung erwirkt werden soll, das Verfahren aus, wenn die Vollstreckung der Entscheidung im Ursprungsmitgliedstaat wegen der Einlegung eines Rechtsmittels einstweilen eingestellt ist", Art. 35 EuUnterhaltsVO.
Beispiel 1: Metin, türk. Staatsangehöriger, ist mit Ayse, ebenfalls Türkin, verheiratet. Aus der Ehe sind die beiden Kinder Can, 6 Jahre alt, und Zümrüt (4) hervorgegangen, die beide bei der Mutter leben und von ihr versorgt werden. Metin arbeitet bei einem Automobilhersteller in R.; Ayse ist nicht berufstätig. Für die Kinder zahlt Metin Unterhalt (nach der Düsseldorfer Tabelle), aber er hat sich, wie Ayse findet, nicht richtig eingestuft. Bei seiner Frau stellt sich Metin auf den Standpunkt, sie könne und müsse arbeiten gehen. Gerichtl. Zuständigkeiten für das Unterhaltsverfahren, das Ayse für sich und die Kinder anstrengt, liegen bei dt. Gerichten,
- wenn sich die Mutter mit Can und Zümrüt gewöhnlich in Deutschland aufhält oder
- ihren gewöhnlichen Aufenthalt mit den Kindern in einen anderen Mitgliedstaat der europ. Gesetzgebung verlegt hat,
- aber auch dann, wenn sie (vielleicht zunächst verärgert oder besonders unglücklich) in die Türkei zurückkehrt ist, denn Metin hat seinen gewöhnlichen Aufenthalt weiterhin in Deutschland, vgl. Art. 3 EuUnterhaltsVO.
II. Haager Protokoll - kollisionsrechtliche Rechtsanwendung
1. Art. 18 Abs. 1 EGBGB - Art. 3 Haager Protokoll
Nach Art. 18 Abs. 1 EGBGB fanden bisher auf Unterhaltspflichten die "Sachvorschriften des am jeweiligen gewöhnlichen Aufenthalt des Unterhaltsberechtigten" geltenden Rechts Anwendung, selbst wenn so auf das Recht eines Staates verwiesen wurde, der dem HUÜ 1973 nicht angehörte (loi uniforme), vgl. Art. 2 HP. Dort entsteht sein Bedarf, und dort muss er sein Auskommen finden. Ihren "staatsvertraglichen Charakter", denn Art. 18 EGBGB ist aus dem HUÜ 1973 übernommen, hat die Vorschrift trotz ihrer Aufnahme in das dt. IPRG 1986 beibehalten. Deshalb blieb sie im Verhältnis zum Iran wegen des Vorrangs des dt.-iran. Niederlassungsabk. ohne Bedeutung, wenn dessen Voraussetzungen sonst erfüllt waren und damit seine Regeln zur Anwendung gelangten. Dagegen sind die Bestimmungen der EuUnterhaltsVO im Wege der (europ.) Gesetzgebung ergangen; das gilt auch für das Haager Protokoll durch die Übernahme durch die europ. Gemeinschaft, obwohl seine Bestimmungen zunächst nur von den Mitgliedstaaten des HUÜ 2007 verbindlich vereinbart worden sind. Wie bisher, Art. 18 Abs.  1 EGBGB, bestimmt Aufenthaltsrecht der berechtigten Person über ihren Unterhalt; dort entsteht ihr Bedarf, und dort muss sie ihre Ausgaben decken. Wechselt sie ihren gewöhnlichen Aufenthalt, ist vom Zeitpunkt des Aufenthaltswechsels an das Recht des Staates des neuen gewöhnlichen Aufenthalts anzuwenden", ebenfalls nichts Neues. Sind die Ergebnisse nun besser, kann der Unterhaltsgläubiger wie bisher trotz zunächst bis zum Umzug "richtiger Titulierung" (nach Aufenthaltsrecht) Abänderung verlangen, wenn die sonstigen Voraussetzungen für sie erfüllt sind./ Diese Folgen gelten auch dann, wenn der Aufenthaltsstaat nicht an der EuUnterhaltsVO teilnimmt (auch dann wird sein Recht maßgeblich), Art. 2 HP (universelle Anwendung, loi uniforme).
Beispiel 2: Ayse lebt mit den beiden Kindern in Deutschland. Dann gilt für ihre Unterhaltsansprüche dt. Recht, Art. 3 Abs. 1 HP. Nun zieht sie zu ihrer Schwester nach Belgien, so dass belg. Recht anwendbar wird, Art. 3 Abs. 2 HP. Mit ihr kommt sie nicht aus und verlegt ihren Aufenthalt in die Türkei, und nun gilt türk. Recht, Art. 3 Abs. 2 HP, selbst wenn die Türkei der EuUnterhaltsVO (bzw. dem Haager Protokoll) nicht angehört, Art. 2 HP. Schließlich kehrt sie nach Deutschland zurück, dt. Recht, Art. 3 Abs. 2 HP, Einschränkungen allerdings in Art. 5 HP. Nach der Ehescheidung wird anders als bisher, dazu Art. 18 Abs. 4 EGBGB, nicht das tatsächlich auf die Scheidung angewandte Recht maßgeblich, wenn ein Ehegatte das nicht will, vgl. zu weiteren Einzelheiten 3.
2. Art. 4 Abs. 1 HP
Art. 3 Abs. 1 und 2 HP wird für alle Unterhaltsansprüche aus familienrechtl. Beziehungen, Verwandtschaft, Ehe oder Schwägerschaft sachliche Grundlage, Art. 1 Abs. 1 HP, auch wenn sie durch Absprachen zwischen den Parteien erst näher ausgestaltet werden. Allerdings gelten
-​für Unterhaltspflichten von Eltern gegenüber ihren Kindern, dazu Art. 4 Abs. 1 a HP,
-​anderer Personen als Eltern gegenüber Personen, die das 21. Lebensjahr noch nicht vollendet haben, mit Ausnahme der Unterhaltspflichten aus in Art. 5 genannten Beziehungen und b), dazu gleich 3,
-​und von Kindern gegenüber ihren Eltern wichtige Einschränkungen, Art. 6 f. HP und gleich 4.
3. Art. 18 Abs. 4 EGBGB - Art. 5 HP
Für Unterhaltspflichten unter geschiedenen Eheleuten brachte, wenn die Ehescheidung in Deutschland erfolgte oder hier anerkannt war, Art. 18 Abs. 4 EGBGB das auf die Scheidung tatsächlich angewandte Recht zur Anwendung, da der notwendige, innere Zusammenhang zu anderen Scheidungsfolgen gewahrt werden sollte. Nachträglich haben wir die Rechtsanwendung selbst dann nicht berichtigt, wenn dem Gericht, das die Scheidung ausgesprochen hat, aus unserer Sicht Fehler in der Sache unterlaufen waren und daher ein "anderes Recht" hätte herangezogen werden müssen. Nachträglich haben wir die Fehler selbst dann nicht berichtigt, wenn das Gericht, das die Scheidung ausgesprochen hatte, die Sache "falsch" behandelt hat und zumindest aus unserer Sicht ein "anderes" Recht hätte herangezogen werden müssen, das auch abweichende Unterhaltsfolgen gebracht hätte. Art. 5 HP entscheidet nun anders.
"In Bezug auf Unterhaltspflichten zwischen Ehegatten, früheren Ehegatten oder Personen, deren Ehe für ungültig erklärt wurde, findet Artikel 3 keine Anwendung, wenn eine der Parteien sich dagegen wendet und das Recht eines anderen Staates, insbesondere des Staates ihres letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalts, zu der betreffenden Ehe eine engere Verbindung aufweist. In diesem Fall ist das Recht dieses anderen Staats anzuwenden". Art.  12 des AUG setzt Art. 18 EGBGB insgesamt außer Kraft. Für Art. 18 Abs. 4 EGBGB sind die Folgen dabei besonders weitreichend.
Beispiel 3: Die Ehe von Metin und Ayse ist geschieden. Nach Art. 17 Abs. 1 EGBGB mit seinem Verweis auf Art. 14 EGBGB ist türk. Recht Grundlage geworden. Unterhaltsforderungen für Ayse und die Kinder richteten sich daher unabhängig vom Aufenthalt des Anspruchstellers nach türk. Recht (als dem auf die Scheidung angewandten Recht). Nun wird zunächst Art. 3 Abs. 1 HP maßgeblich. Aber jede Partei - auch Metin - kann sich dagegen wenden und darauf bestehen, dass ein anderes Recht herangezogen wird, aus Sicht von Ayse, die in der Türkei lebt, dt. Recht, das ihr bessere Ergebnisse bringen wird, da die Familie ihren letzten gemeinsamen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hatte.
Art. 5 HP gilt im Übrigen auch dann, wenn die Parteien "nur" getrennt voneinander leben. Aufenthaltsrecht ist zwar grundsätzlich maßgeblich, aber engere Verbindungen zum Unterhaltsverhältnis kann die Rechtsordnung haben, die mit der Ehe in einer engeren Verbindung steht, so dass jeder Ehegatte auf Anwendung ihrer Vorschriften bestehen kann.
4. Andere besondere Regeln, Art. 6 f. HP
a. Art.18 Abs. 3 EGBGB - Art. 6 HP
Bei Unterhaltspflichten zwischen Verwandten in der Seitenlinie bzw. Verschwägerten konnte der nach den sonst maßgeblichen Bestimmungen Verpflichtete dem Anspruchsteller entgegenhalten, dass nach den Sachvorschriften des Staates, "dem sie gemeinsam (angehörten), oder, mangels einer gemeinsamen Staatsangehörigkeit, des am gewöhnlichen Aufenthaltsort des Verpflichteten geltenden Rechts" keine Leistung geschuldet war. Ähnlich entscheidet Art. 6 HP, bringt aber einige Erweiterungen. Erfasst sind nun sämtliche Unterhaltspflichten, die so auf ihre Vereinbarkeit mit den Rechtsregeln der gemeinsamen Staatsangehörigkeit bzw. des Aufenthaltsrechts des Schuldners zu überprüfen sind. Ausdrücklich ausgenommen sind Ansprüche von Kindern, "die aus einem Eltern-Kind-Verhältnis folgen", und Forderungen  unter geschiedenen oder getrennt lebenden Eheleuten nach Art. 5 HP.
b. Art. 7, 8 HP
Nach Art. 7 Abs. 1 HP kann "die berechtigte und die verpflichtete Person allein für die Zwecke eines einzelnen Verfahrens in einem bestimmten Staat ausdrücklich das Recht dieses Staates als das auf eine Unterhaltspflicht anzuwendende Recht wählen". Diese Befugnis stand ihnen bisher nach Art. 18 EGBGB nicht zu. "Erfolgt die Rechtswahl vor Einleitung eines Verfahrens, so geschieht dies durch eine von beiden Parteien unterschriebene Vereinbarung in Schriftform oder erfasst auf einem Datenträger, dessen Inhalt für eine spätere Einsichtnahme zugänglich ist", Abs. 2. Sonst sind keine weiteren Förmlichkeiten einzuhalten, vgl. bei uns aber § 1585 c BGB. Konkludente Wahl reicht nicht. Stets muss sie sich auf ein bestimmtes Recht beziehen. Zum Schutz  des Anspruchstellers legt Art. 8 HP weitere Einschränkungen fest. Denn die Parteien können sich lediglich für
a) ​das Recht eines Staates (aussprechen), dem einer (von ihnen) im Zeitpunkt der Rechtswahl angehört, (bzw.)
b)​das Recht eines Staates, in dem einer der Parteien im Zeitpunkt der Rechtswahl ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat, (bzw.)
c)​das Recht, das die Parteien als das auf ihren Güterstand anzuwendende Recht bestimmt haben oder das tatsächlich darauf angewandte Recht, (schließlich)
d)​das Recht, das die Parteien als das auf ihre Ehescheidung oder Trennung ohne Auflösung des
​Ehebandes anzuwendende Recht bestimmt haben oder das tatsächlich auf diese Ehescheidung
​oder Trennung angewandte Recht, das dann aber gilt, weil die Eheleute das so gewollt und vereinbart und nicht, weil die Gerichte auf seiner Grundlage entschieden haben, anders bisher Art. 18 Abs. 4 EGBGB.
Art. 8 Abs. 1 HP findet von vornherein keine Anwendung "auf Unterhaltspflichten betreffend eine Person, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet hat oder einen Erwachsenen, der aufgrund einer Beeinträchtigung oder Unzulänglichkeit seiner persönlichen Fähigkeiten nicht in der Lage ist, seine Interessen zu schützen", Abs. 3. Bei einem Unterhaltsverzicht richtet Art. 8 Abs.4 HP noch weitere Schranken auf. Dann ist nämlich "das Recht des Staates (maßgeblich), in dem die berechtigte Person im Zeitpunkt der Rechtswahl ihren gewöhnlichen Aufenthalt hat", wobei auch Interessen öffentlicher Leistungsträger zu berücksichtigen sind, die an die Stelle des unterhaltspflichtigen Teils treten müssen. Die Bestimmung kommt dabei schon dann zum Zuge, wenn sich die Parteien - sonst zulässig - für ein Recht entscheiden, das für sie gerade keine Unterhaltsfolgen vorsieht. Nach Abs. 5 ist schließlich, und dabei klingen unsere Diskussionen über die Reichweite ehevertraglicher Absprachen an (Wirksamkeits-/Ausübungskontrolle) an, das von den Parteien bestimmte Recht nicht anzuwenden, wenn seine Anwendung für eine von ihnen offensichtlich unbillige oder unangemessene Folgen hätte, "es sei denn, dass die Parteien im Zeitpunkt der Rechtswahl umfassend unterrichtet und sich der Folgen ihrer Wahl vollständig bewusst waren".
Beispiel 4: Peter, dt. Staatsangehöriger, ist mit Helga, ebenfalls Deutsche, verheiratet. Beide leben seit langer Zeit in einem Mitgliedsland der europ. Gesetzgebung, das die EuUnterhaltsVO
übernommen hat. Scheidungsverfahren kann Peter, aber auch Helga, bei Gerichten ihres gewöhnlichen Aufenthaltsorts führen, Art. 3 a) 5. Spiegelstrich VO Nr. 2201/2003, aber beide können auch dt. Gerichte einschalten, Art. 3 b), weil sie dt. Staatsangehörige sind. Dt. Gerichte würden ohne weiteres dt. Recht heranziehen, dabei dt. Unterhaltsrecht, wobei aus unserer Sicht schon der notwendige Auslandsbezug fehlen würde. Gerichte am Aufenthaltsort der Eheleute können das aber anders sehen, nämlich dann, wenn sie ihr eigenes Recht zugrunde legen, das sich aus ihrer Zuständigkeit ableitet. Art. 8 Abs. 5 HP kann dann Absprachen von Peter und Helga entgegenstehen, die im Ergebnis dazu führen, dass Helga - im Vergleich mit dt. Recht - keinen Unterhalt verlangen kann.
c. Abs. 18 Abs. 6 EGBGB - Art. 11 HP
Nach Art. 18 Abs. 6 EGBGB bestimmte das für Unterhaltsforderungen anzuwendende Recht auch, ob und in welchem Ausmaß und von wem der Berechtigte Unterhalt verlangen konnte, wer zur Einleitung des Unterhaltsverfahrens berechtigt war und welche Fristen für die Einleitung beachtet werden mussten sowie das Ausmaß der Erstattungspflicht des Unterhaltspflichtigen, wenn eine öffentliche Aufgaben wahrnehmende Einrichtung den ihr nach dem Recht, dem sie unterworfen war, zustehenden Anspruch für Leistungen geltend machte, die sie dem Berechtigten erbringen musste und erbracht hat. Diese Regelung entspricht Art. 11 HP, fügt aber noch hinzu, a) in welchem Umfang die berechtigte Person Unterhalt für die Vergangenheit verlangen hat, b) nennt die Grundlage für die Berechnung des Unterhaltsbetrags und für die Indexierung und c) schließt die Verjährungsfristen oder die für die Einleitung eines Verfahrens geltenden Fristen ein.
d. Art. 10 HP
Für Forderungen einer Einrichtung, die öffentliche Aufgaben wahrnimmt, auf Erstattung einer der berechtigten Person anstelle von Unterhalt erbrachte Leistungen vom Schuldner zu verlangen, wird das Recht Grundlage, dem diese Einrichtung sonst untersteht, Art. 10 HP, vgl. dazu auch c.
e. Art. 18 Abs. 7 - Art. 14 HP
Bei der Bemessung des Unterhalts sind die Bedürfnisse der berechtigten Person und die wirtschaftlichen Verhältnisse der verpflichteten Person sowie der berechtigten Person anstelle einer regelmäßigen Unterhaltszahlung geleistete Entschädigungen zu berücksichtigen, selbst wenn das anzuwendende Recht etwas anderes bestimmt, Art. 14 HP, weitgehend gleichlautend mit (bisher) Art. 18 Abs. 7 EGBGB.
f. Art. 13 HP
Von der Anwendung des Rechts, das die Regeln des HP bestimmen, können Gerichte bei ihrer Entscheidung nur absehen, soweit die Wirkungen der öffentlichen Ordnung in ihrem Staat offensichtlich widersprechen, eine Folge, die unter den Mitgliedern der EuUnterhaltsVO kaum eintreten kann, doch kann das für die Mitgliedstaaten des Haager Übereink. 2007 anders sein.
5. Art. 18 Abs. 1 S. 2, Abs. 2 und 5 EGBGB - Art. 4 Abs. 2, 3 und 4 HP
Konnte der Berechtigte nach Aufenthaltsrecht, Art. 18 Abs. 1 S. 1 EGBGB, vom Verpflichteten keinen Unterhalt erhalten, kamen "die Sachvorschriften des Staates" zur Anwendung, dem beide gemeinsam angehörten, Art. 18 Abs. 1 S. 2 EGBGB, wobei für Mehrstaater Art. 5 Abs. 1 EGBGB galt (Effektivität; Privilegierung dt. Staatsangehöriger). Dabei war allerdings nicht ausreichend, dass das zunächst maßgebliche Recht Ansprüche aus tatsächlichen Gründen verweigerte, etwa bei fehlender Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners oder nicht ausreichend nachgewiesener Bedürftigkeit des Gläubigers. Vielmehr mussten die Ausfälle auf rechtlichen Besonderheiten beruhen, also abgelaufenen Klagefristen u.ä., ohne dass entscheidend war, ob nun vielleicht Ansprüche gegen eine andere Person bereitstanden und die Ausfälle ersetzte, etwa gegen den nichtehelichen Vater oder die nichteheliche Mutter. War Art. 18 Abs. 1 S. 2 EGBGB in seinen Voraussetzungen erfüllt, bestimmte das berufene Recht über den Unterhalt in "vollem Umfang", also nach Grund und Höhe. Art.4 Abs. 4 HP entspricht dieser früheren Regel weitgehend, bringt aber mit Abs. 2 und 3 eine veränderte Abfolge/Abstufung mit einigen Abweichungen in der Sache und strebt dabei (sc.: stärker als bisher) ein Gleichgewicht zwischen der Maßgeblichkeit der lex fori und dem Günstigkeitsprinzip an. Zunächst gilt bei Ausfällen des Berechtigten nach einer Anknüpfung seiner Forderungen nach Art. 3 Abs. 1 HP die lex fori, wenn die dortigen Gerichte schon eingeschaltet und die sonstigen Voraussetzungen aus Art. 4 Abs. 3 HP erfüllt sind, dazu S. 1. Dann kommt gewöhnliches Aufenthaltsrecht des Berechtigten zum Zuge, das sich von der lex fori unterscheiden muss, Abs. 3 S. 2 HP. Erst danach ist gemeinsames Heimatrecht berufen, Art. 4 Abs. 4 HP. Zu diesem Staat muss keine besonders enge Beziehung des einen oder des anderen Beteiligten bestehen.
6. Art. 18 Abs. 7 - Art. 14 HP
Art 14 HP entspricht für die Bemessung des Unterhalts Art. 18 Abs. 7 EGBGB.
7. Einheitliche Auslegung, Art. 20 HP
Bei der Auslegung der Regeln des HP ist "seinem internationaler Charakter und der Notwendigkeit, seine einheitliche Anwendung zu fördern, Rechnung zu tragen", Art. 20 HP, einheitliche Auslegung.
8. Übergangsregeln
a. EuUnterhaltsVO
In Deutschland sind die Bestimmungen der EuUnterhaltsVO und des dt. DurchfG mit dem 18.6.2011 in Kraft getreten. Für Verfahren, die zum Stichtag bereits eingeleitet sind, richtet sich das anwendbare Recht für die Zeiten vor dem 18.6.2011 nach bisherigem Recht, also Art. 18 EGBGB bzw. dem HUVÜ, obwohl Art. 18 EGBGB ausdrücklich außer Kraft gesetzt worden ist, denn erst danach greifen die Bestimmungen des HP ein. Danach sind verschiedene Übergangsregeln zu beachten. Zunächst wird Art. 75 Abs. 1 EuUnterhaltsVO maßgeblich. Denn für vor dem 18.6.2011 bereits eingeleitete Verfahren, gebilligte oder geschlossene gerichtl. Vergleiche und ausgestellte öffentliche Urkunden gelten weiterhin die bisherigen Vorschriften, auch wenn lediglich ein Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe gestellt ist (oder entspr. Ersuchen bereits bei der Zentralen Behörde betrieben werden, insbesondere also die Bestimmungen der VO Nr. 44/2001, sonstiger völkerrechtl. Vereinbarungen oder autonomen Rechts). Gerichtliche Zuständigkeiten für am 18.6.2011 noch nicht abgeschlossene Unterhaltssachen bleiben unberührt. §§ 30 bis 34 AUG sind zudem nur auf Titel anwendbar, die auf der Grundlage des Haager Protokolls ergangen sind. Insoweit ist keine Vollstreckbarerklärung notwendig. Kapitel IV Abschnitte 2 und 3 finden danach (erst) Anwendung auf
"a) Entscheidungen, die in den Mitgliedstaaten vor dem Tag des Beginns der Anwendbarkeit dieser Verordnung ergangen sind und deren Anerkennung und Vollstreckbarkeit nach diesem Zeitpunkt beantragt wird;
b) Entscheidungen, die nach dem Tag des Beginns der Anwendung aus dieser Verordnung in Verfahren, die vor diesem Zeitpunkt eingeleitet wurden, ergangen sind, soweit diese Entscheidungen für die Zwecke der Anerkennung und Vollstreckung in den Anwendungsbereich der Verordnung (EG) Nr. 44/2001 fallen.
Die Verordnung (EG) Nr. 44/2001 gilt weiterhin für die am Tag des Beginns der Anwendbarkeit dieser Verordnung getroffenen Anerkennungs- und Vollstreckungsverfahren", Art. 75 Abs. 2. Deshalb bleiben auch die bisherigen Bestimmungen über den Ablauf des Verfahrens in Deutschland maßgeblich.
c) Nach Art. 22 HP findet "dieses Protokoll keine Anwendung auf Unterhalt, der in einem Vertragsstaat für einen Zeitraum vor Inkrafttreten des Protokolls in diesem Staat verlangt wird". Denn das Übereinkommen beansprucht keine Rückwirkung. Vielmehr gelten die bisherigen kollisionsrechtlichen Bestimmungen weiter, auch wenn Art. 18 EGBGB sonst aufgehoben ist.
Unterhaltstitel aus Dänemark oder aus dem Ver. Königreich sind nicht erfasst. Für sie bleiben die bisherigen Vorschriften maßgeblich.
b. AUG
Für das AUG1 gelten eigene Übergangsregeln, vgl. dazu § 77. Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Unterhaltstitels richten sich, soweit der inl. Bezug betroffen ist, für die am 18.06.2011 eingeleiteten Verfahren weiterhin nach dem Anerkennungs- und Vollstreckungsausführungsgesetz (AVAG) in der Fassung vom 3.12.2009 im Anwendungsbereich
- für die VO Nr. 44/2001,
- das Abk. vom 19.10.2005 zwischen der europ. Gemeinschaft und dem Königreich Dänemark über die gerichtl. Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung von Entscheidungen für Zivil- und Handelssachen,
- das Übereink. vom 30.10.2007 über die gerichtl. Zuständigkeit und die Anerkennung und Vollstreckung in Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen (LugÜ),
- das Übereink. vom 16.9.1988 über die gerichtl. Zuständigkeit und die Vollstreckung gerichtl. Entscheidungen in Zivil- und Handelssachen und
- das Haager Übereink. vom 2.10.1973 über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen.
Im Verhältnis der Vertragsstaaten des HUÜ 1973 und des Unterhaltsabkommens 1956 (für uns noch von Bedeutung zu Liechtenstein), für die das Abkommen 2007 (noch) nicht gilt bzw. die an der europ. Gesetzgebung nicht teilnehmen (Dänemark grundsätzlich, das Ver. Königreich von Fall zu Fall, hat sich bisher aber für die Mitwirkung an den unterhaltsrechtl. Vorschriften nicht entscheiden können), sind also weiterhin die früheren Regeln maßgeblich, so dass auch die Vollstreckungsklausel nach § 9 AVAG zu erteilen ist, vgl. dazu www.hcch.net (also im Verhältnis zu Japan, Litauen, der Schweiz und der Türkei). Für Staaten, die nicht durch das HUÜ 1973 oder durch völkerrechtl. Vereinbarungen mit Deutschland gebunden sind, bestimmt sich die Rechtsanwendung nun und ab dem 18.6.2011 (ebenfalls, dazu II. 8. a.) nach den Regeln des HP.
Beispiel 5: Ludmilla M., ukrain. Staatsangehörige, hat für ihre Tochter Hannah, geb. 1998, einen Beschluss des Bezirksgerichts T./Ukraine erwirkt, der V. (den Vater), der in Deutschland lebt und etwa 3.200,00 Euro verdient, zur Zahlung von Unterhalt "in Höhe von eines Viertels von allen Arten des Arbeitseinkommens, beginnend mit dem 21.12.2000" verpflichtet. So kann der Titel aber bei uns nicht anerkannt und für vollstreckbar erklärt werden, bisher § 9 AVAG, denn der Urteilsausspruch ist unbestimmt. Deshalb wird Ludmilla ein "zweites" Verfahren führen (oder im Heimatland tätig werden zu müssen, wenn ihr nicht dort Verfahrensregeln entgegenstehen, dazu gleich), um für Hannah Zahlungen von V. zu erhalten, wobei für uns nicht etwa die Rechtskraft der ukrain. Entscheidung entgegensteht, weil diese bei uns nicht vollstreckbar ist. Internat. Zuständigkeiten dt. Gerichte folgen aus Art. 3 ff. EuUnterhaltsVO, weil sich M. in Deutschland gewöhnlich aufhält. /Aber die Mutter könnte ihr Verfahren auch bei den für sie sonst zuständigen Gerichten in der Ukraine betreiben, wenn ihr dortige Regeln nicht entgegentreten (eben: Rechtskraft), um so ein in Deutschland vollstreckungsfähiges Urteil zu erreichen.
Da die Ukraine dem HUVÜ 1973 angehört, aber nicht dem HUÜ, wäre die Vollstreckungsklausel nach § 41 AUG (G vom 27.5.2011, BGBl. 2011 I 898) zu erlassen, denn eine dt. Entscheidung wäre ohne weiteres vollstreckbar; aufgrund des Beschlusses nach § 40 Abs. 1 hat sie der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle in folgender Form zu fassen:
"Vollstreckungsklausel nach § 36 des Auslandsunterhaltsgesetzes vom 23.5.2011 (BGBl. I S. 898). Gemäß dem Beschluss des .. (Bezeichnung des Gerichts und des Beschlusses) ist die Zwangsvollstreckung aus .. (Bezeichnung des Titels) zugunsten .. (Bezeichnung des Gläubigers) gegen .. (Bezeichnung des Schuldners) zulässig.
Die zu vollstreckende Verpflichtung lautet:
.. (Angabe der dem Schuldner aus dem ausländischen Titel obliegenden Verpflichtung in dt. Sprache; aus dem Beschluss nach § 40 Abs. 1 zu übernehmen).
Die Zwangsvollstreckung darf über Maßregeln zur Sicherung nicht hinausgehen, bis der Gläubiger eine gerichtl. Anordnung oder ein Zeugnis vorliegt, dass die Zwangsvollstreckung unbeschränkt stattfinden darf." Lautet der Titel auf Leistung von Geld, so ist der Vollstreckungsklausel folgender Zusatz anzufügen:
"Solange die Zwangsvollstreckung über Maßregeln zur Sicherung nicht hinausgehen darf, kann der Schuldner die Zwangsvollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von .. (Angabe des Betrages, wegen dessen der Gläubiger vollstrecken darf, abwenden).  Wird die Zwangsvollstreckung nur für einen oder mehrere der durch die ausländische Entscheidung zuerkannten oder in einem anderen ausländischen Titel niedergelegten Ansprüche oder nur für einen Teil des Gegenstands der Verpflichtung zugelassen, so ist die Vollstreckungsklausel als Teil-Vollstreckungsklausel nach § 36 des AuslandsunterhaltsG vom 23.5.2011 (BGBl. I S. 898)" zu bezeichnen, Abs. 2. "Die Vollstreckungsklausel ist von dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zu unterschreiben und mit dem Gerichtssiegel zu versehen; sie ist entweder auf der Ausfertigung des Titels oder auf ein damit zu verbindendes Blatt zu setzen, und wenn eine Übersetzung des Titels vorliegt, ist sie mit der Ausfertigung zu verbinden", Abs. 3.
Die Anerkennung und Vollstreckbarerklärung eines ausländischen Titels für Verfahren mit förmlicher Gegenseitigkeit (§ 1 Abs. 1 S. 1 Nr.3 ), die am 18.6.2011 bereits eingeleitet sind, richten sich nach dem Auslandsunterhaltsgesetz (AUG) vom 19.12.1986 in der bis dahin geltenden Fassung, § 77 Abs. 2.
c. EuVTVO
Für Unterhaltstitel, die nach dem 21.1.2005 errichtet worden sind, kommt auch eine Bestätigung nach den Regeln der EuVTVO in Betracht, wenn sie (etwa) als Vergleich oder Jugendamtsurkunde errichtet bzw. als Versäumnisurteil erlassen sind.



Eingestellt am 26.04.2012 von Dr. Peter Finger
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