UMZUG MIT DEM KIND

Oben auf meiner Seite habe ich allgemeine Rechtsfragen über den „Umzug mit dem gemeinsamen Kind“ behandelt. Vor kurzem habe ich im Übrigen über mehrere Entscheidungen des (schweiz.) BG berichtet, die auch für uns Hinweise liefern können, v. 11.8.2016, 5A_581/2015, v. 7.7.2016, 5A_945/2015 und v. 11.3.2016, 5A_450/2015, veröffentlich in (schweiz.) Praxis des Familienrechts, FamPra.ch, und erreichbar auf der Seite des BG (ch). Sie weisen zunächst auf die Washingtoner Erklärung hin, verabschiedet auf einer int. Richterkonferenz, an der auch Deutschland teilgenommen hat, die aber lediglich Gesichtspunktefür eine Regelung zusammenfasst und damit ohne unmittelbare Rechtswirkungen bleibt, eine Empfehlung des Europarates v. Mai 2015 (also: Empfehlung, nicht mehr) und einen Vorbericht, veröffentlicht im Januar 2012 vom Ständigen Büro der Haager Konferenz und der sich an die Washingtoner Erklärung anschließt, legen dann aber selbst die Gründe fest, die maßgeblich sind. Im Übrigen ist nachzutragen:1. Seit 1.7.2014 gilt in der Schweiz Art. 301 a ZGB, eingefügt durch Ziff. 1 des G v. 21.6.2013. Abs. 2: „Üben die Eltern die elterliche Sorge gemeinsam aus und will ein Elternteil den Aufenthaltsort des Kindes wechseln, so bedarf dies der Zustimmung des anderen Elternteils oder der Entscheidung des Gerichts oder der Kinderschutzbehörde, wenn a) der neue Aufenthaltsort im Ausland liegt, oder b) der Wechsel der Aufenthaltsortes erhebliche Auswirkungen auf die Ausübung der elterlichen Sorge oder den persönlichen Verkehr mit dem anderenElternteil hat“, Abs. 3: „Übt ein Elternteil die elterliche Sorge allein aus und will er den Aufenthaltsort des Kindes wechseln, so muss er den anderen Elternteil rechtzeitig darüberinformieren“, Abs. 4: „Dieselbe Informationspflicht hat ein Elternteil, der seinen eigenen Wohnsitz wechseln will“, schließlich Abs. 5: „Soweit dies erforderlich ist, verständigensich die Eltern unter Wahrung des Kindeswohls über eine Anpassung der Regelung der elterlichen Sorge, der Obhut, des persönlichen Verkehrs und des Unterhaltsbeitrages. Wenn sie sich nicht einigen können, entscheidet das Gericht oder die Kinderschutzbehörde.“, sehr ausf. zu Art. 301 a ZGB Bertschi/Maranta, FamPra.ch 2017, 649 f. mit einer Übersicht über die weitere Rspr. des BG (ch). 2. Über ihre Befugnisse für ihre Kinder streiten Eltern sicherlich nicht nur bei uns immer häufiger und erbitterter. Väter übernehmen mehr persönliche Verantwortung für ihre Kinderund leiden daher unter einer Trennung von ihnen besonders, die, wie sie meinen, ihnen aufgezwungen wird. Mütter arbeiten häufiger und geben – gern, durchaus, zum Glück – Aufgaben an ihre Partner ab, weil sie das so für richtig halten. Ergebnissesind daher nicht gleichsam von selbst inhaltlich vorgegeben. Zudem liefern nicht nur unsere jeweils differenzierter gehaltenen und aufgegliederten Vorschriften insbesondere im Verfahren beiden Partnern viel Raum für solche Auseinandersetzungen, die sich trotz aller guten Absichten, siemöglichst schnell – Vorrang- und Beschleunigungsgebot – zu beenden, oft über Jahre hinziehen. Leidtragende sind vor allem die Kinder. Dann können Vorschriften, die den Streitstoff wenigstens zu begrenzen versuchen und für die Entscheidung der Gerichte oder der zuständigen Behörden Vorgaben liefern, ihren eigenen Wert haben. Soll der Aufenthaltsort des Kindes verlegt werden, ist die Zustimmung des anderen Elternteils erforderlich, so sagt das Art. 301 a ZGB, wenn beide gemeinsam sorgebefugt sind, - bei einem Umzug ins Ausland, wobei eine Rolle spielen wird, wie weit der neue Ort entfernt ist und welche Verhältnisse das Kind dort vorfindet (aus schweizer Sicht also: Basel – Lörrach, Basel – Mulhouse oder Basel – San J. in Südameri- ka), dazu BG (ch) 5A_619/2016, FamPra.ch 2017, 845 (Bern – Bonn, erlaubt durch die zuständige Behörde in der Schweiz).- Sonst sind die Auswirkungen auf die Entwicklung des Kindes zu untersuchen und inhaltlich zu bewerten und auch die Um- gangsbefugnisse des zurückgelassenen Partners, die jeweils „erheblich“ seien und insgesamt in ihr Verhältnis gebracht werden müssen.3. Wir handhaben die Dinge ähnlich, selbst ohne verbindliche gesetzliche Vorgabe; sie hätte aber, so meine ich, einige Vorteile und könnte dazu beitragen, Streitereien eher zu verhindern oder jedenfalls schneller zu beenden, da sich für die Beteiligten klar und klarer als sonst erkennen lässt, mit welchen Fragen sie sich beschäftigen müssen und welche Antworten Gerichte oder Behörden finden werden, dazu auch Bertschi/ Maranta, FamPra.ch 2017, 649 (673): Die Verfahren beiGericht oder bei der Kinderschutzbehörde sind inzwischen deutlich seltener geworden.Zwei Beispiele aus meiner Praxis:a) Beide Elternteile leben in F. Aus ihrer Verbindung ist C. hervorgegangen, inzwischen knapp vier Jahre alt, die sich bei der Mutter aufhält. Seit einigen Monaten sind die Eltern getrennt. Der Vater arbeitet in einer Klinik, die Mutter studiert und steht kurz vor dem Abschluss. C. hat enge Verbindungen zu ihm, der sie mindestens an jedem zweiten Wochenende von Freitag bis Montag morgens bei sich hat und häufig auch noch in der Woche sieht, mit ihr die Feiertage verbringt und in die Ferien fährt. Nun will die Mutter, die immer noch sehr verletzt ist, mit C. rund 680 km von F. entfernt zu ihren Eltern ziehen; dort habe sie mehr Ruhe, um ihre Abschlussarbeiten für ihr Studium zu erledigen. – Das AG F. entscheidet „für“ sie, § 1628 BGB.b) Aus der Ehe von D. (Mutter) und R.W. sind zwei Söhne hervorgegangen, acht und zwölf Jahre alt. Bisher lebte die Familie in X., etwa 15 km südlich von F. D. arbeitet, stimmt aber ihre Arbeitszeiten jeweils mit den Bedürfnissen der Kinderab und versorgt sie im Wesentlichen, wie sie das sieht. R. ist beruflich häufig unterwegs und dann tagelang von X. abwesend, wobei er allerdings zusagt, homeoffice bei seinem Arbeitgeber zu beantragen (der ihm entsprechende Zusagen auch schon gemachthabe) und seine Zeiten insgesamt zu reduzieren. D. kann ebenfalls eine solche Erklärung vorlegen. Nun möchte sie nach der Trennung von X. nach L. umziehen, etwa 15 km östlich von F.(und damit wenig mehr als 20 km von X. entfernt). Für die Kinder will sie soweit wie möglich das bisherige Umfeld erhalten (Sportverein, Schule, Freundeskreis, etc.). Auch ihre Arbeitszeiten will sie anpassen. Erhebliche Auswirkungen für die Söhne? Wohl eher nicht. Für R., den Vater? Kaum, denn die Mutter sagt ihm „großzügige Kontakte und Umgänge“ zu. Die Kinder werden in der neuen Umgebung von ihr persönlich versorgt, so kann sie erläutern, und er muss lediglich rund 20 km fahren zu Besuchen fahren. Im Verfahren bei Gericht erklärt er zwar, er werde „sich künftig um alles für seine Kinder selbst“ kümmern, wobei er wohl die Versorgung der Kinder meint.Aber sind seine Zusagen glaubwürdig? Denn gleichzeitig betont er, wenn er „einmal nicht da“ sei, könne seine neue Freundin oder seine Mutter für ihn einspringen, die nur einige Straßen entfernt von der bisherigen Ehewohnung lebe. 4. Ungeklärt ist allerdings auch in der Schweiz, wie die Auswirkungen von Art. 301 a ZGB bei „alternierender Obhut“ (beiuns: Wechselmodell) sein könnten.



Eingestellt am 22.09.2017 von Dr. Peter Finger
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